Frühlingshafte Wohnideen

Ein Gespräch mit der Künstlerin und Designerin Morag Myerscough – Menschen

Ein Gespräch mit der Künstlerin und Designerin Morag Myerscough – Menschen

Auf der diesjährigen Munich Creative Business Week (MCBW), die vom 10. bis 18. Mai stattfand, sprach die Künstlerin und Designerin Morag Myerscough auf einer Panel-Diskussion zum Thema „New Modes VI / Me in a Bigger we“ über ihr neues Projekt FLUX, das ab Ende Juni als „dritter Ort“ die Pinakothek der Moderne in München bereichert. FLUX ist gedacht als eine begehbare, interaktive Installation – und als ein Wohlfühlort, der Menschen unterschiedlicher Backgrounds zusammenbringen soll. Das haben wir als Anlass für ein Gespräch mit der britischen Künstlerin genommen.

Kennen Sie den „Elevator Pitch“? Dabei hat eine Person nur 60 Sekunden Zeit, sich vorzustellen. Hier also die Frage: Wer sind Sie und was machen Sie?
Okay, ganz kurz: Mein Name ist Morag Myerscough. Ich erschaffe riesige, farbenfrohe Installationen, bei denen es häufig um das Thema Gemeinschaft geht. Dabei suche ich Wege der Zugehörigkeit und der Ermächtigung, um Menschen wirklich einzubeziehen.

Wir haben heute zum Glück etwas mehr Zeit. Also: Welche Ausbildung haben Sie als Künstlerin und Designerin absolviert?
Ich habe das Saint Martins College of Art and Design in London besucht, heute heißt es Central Saint Martins, und auch das Royal College of Art, von welchem ich die Ehrendoktorwürde erhielt, was toll ist. Außerdem trage ich den Titel „Royal Designer of Industry (RDI)“, eine schöne Anerkennung.

Die geplante Installation FLUX soll für fünf Jahre als poppigbunter Begegnungsort für Besucher*innen dienen. Wie kam es dazu?
Mein Vorschlag wurde von einer Jury aus 18 verschiedenen Einreichungen ausgewählt, weil er die Grenzen zwischen Kunst und Alltag spielerisch auflöst. Wie bei vielen meiner Entwürfe geht es um geometrische Formen, um immersive Installationen, leuchtende Farben und ein hohes Maß an Lebens- und Gestaltungsfreude.

Wann und wie hat Ihre Faszination für Farben begonnen?
Schon als Kind. Meine Mutter stammt aus Schottland und war Textildesignerin, mein Vater Berufsmusiker. Bei uns zu Hause häuften sich bunte Stoffe, Garne und Muster aus aller Welt. Als Kind nimmt man das einfach in sich auf. Meine französische Großmutter war Hutmacherin. Ich lernte früh, Dinge herzustellen und war Mitglied der Young Embroiderers Society. Schon damals habe ich ähnliche Farbkombinationen wie heute verwendet. Meine Mutter brachte uns auch bei, mit Naturfarben zu färben und zeigte uns die Unterschiede zwischen all den Nuancen. Womöglich denken manche, mein Einsatz von Farbe sei nicht sehr subtil, weil sie insgesamt so kräftig bunt sind, aber ich verwende sie sehr bewusst und aus langjähriger Erfahrung heraus.

Ihr Urgroßvater trat als Clown im Zirkus auf – vielleicht liegt der Wunsch, andere happy zu machen, ja in der Familie?
Vielleicht. Obwohl seine Anfänge eher traurig waren: Er kam unehelich in einem sogenannten Arbeitshaus zur Welt. Seine Mutter gab ihn zum Zirkus, wo er sich „Busby“ nannte und das Publikum mit einer Windmühle auf dem Kopf zum Lachen brachte. Sein Sohn trat ebenfalls dort auf, als Musiker, und meine Urgroßmutter als Turmspringerin. Vielleicht liegt das „Performing“ ein bisschen in unserer Familie. Ich sehe mich nicht als Entertainerin, aber ich versuche in meiner Arbeit ständig, mit anderen zu kommunizieren. Ich trete mit ihnen in ganz unterschiedlichen Umgebungen in den Austausch: in Carparks, in industriell geprägten Arealen, im öffentlichen Raum. Hier kann Farbe in Form von Installationen wahnsinnig viel bewirken.

Ihre Werke strotzen vor farbigen Muntermachern wie Neongelb, Azurblau, Klatschmohnrot oder softem Pink. Gibt es Töne, die Sie persönlich gar nicht mögen?
Eine Zeit lang mochte ich die Farbe Lila nicht. Bis ich aus meinem viktorianischen Haus in London aufs Land gezogen bin, in ein modernistisches Haus mit beinahe 360-Grad-Rundumverglasung und einem riesigen Garten. Dort fiel mir auf, wie häufig es violette Blüten gibt und wie schön sie mit verschiedenen Grüntönen als Kontrast wirken. Aber Beige verwende ich gar nicht, ich mag es nicht. Auch Grau nicht, wobei unsere städtische Umgebung, der Asphalt und der Beton ja als Hintergrund oft in meine Werke einbezogen sind. Auch Holztöne kommen häufig vor, aber diese haben Materialität. Mit dem modernen Haus habe ich eine Küche übernommen, die ganz in Grau gehalten war, was mich jedoch ziemlich ausgelaugt hat. Jetzt strahlt sie ebenfalls in frischen Farbtönen.

Man denke an den Greenness-Faktor aus der Natur: Farbtöne haben ja auch eine psychologische Wirkung. Spielt das bei der Auswahl Ihrer Gute-Laune-Töne eine Rolle?
Nein, ich gehe nicht mit wissenschaftlichem Ansatz an die Farbauswahl. Ich entscheide immer instinktiv. Und natürlich aus meiner jahrzehntelangen Erfahrung heraus.

Anders als in England oder Deutschland spielt Farbe beim Bauen in südlichen Ländern eine größere Rolle…
Ja, das hängt natürlich mit dem Klima, dem Wetter und dem stärkeren Licht zusammen. Man denke an die mediterranen Länder, an das warme Licht, an die intensiven Töne, die man dort sieht. An das Pink, das der Architekt Luis Barragán gern großflächig einsetzte. Ich habe sein Haus in Mexiko-Stadt besucht. Fantastisch! Dort in Mexiko-Stadt hatte ich ein großes Projekt, wir bauten eine Camera obscura am Zócalo und in diesem Umfeld wirkten meine geometrischen Muster plötzlich aztekisch. Hier bei uns ist der Umgang mit Farbe anders, die Menschen gehen sozusagen anonym und in Nichttönen zur Arbeit. Ich fahre viel Zug und bekomme dann häufig Feedback zu meinen bunten Outfits, die auf den ersten Blick poppig wirken, aber natürlich sorgfältig zusammengestellt sind. Ich hör dann öfters: „You made my day!“

Woher nehmen Sie Ihre Inspirationen?
Bis vor ein paar Jahren war mein Leben in London meine Inspirationsquelle: die Straßen, die Menschen der Stadt, die zufälligen Gespräche, wenn ich mit meinem Hund Elvis, einem Westie, Gassi gehen war. Nun wohne ich ja auf dem Land. Dort ist es der Garten. Und die vielen Reisen natürlich.

Viele Ihrer Installationen sind temporär angelegt, nicht als bleibende Kunst.
Ja. Ich komme mit meinen Werken häufig in recht trostlose Umgebungen, wo überhaupt nichts wächst. Dann entsteht dort meine Installation, mein „Farbding“, wie aus dem Nichts. Es ist wie bei Wildblumen: Sie sprießen plötzlich aus einer Spalte, blühen eine Weile und ziehen rundherum das Leben an. Sie verändern ihre Umwelt für die Dauer ihres Blühens. Und dann ist es wieder vorbei. Auch das hat eine Art von Schönheit. Vielleicht ist es ein bisschen wie im Zirkus: Er kommt – und geht wieder.

Ein Leben ohne Farbe – wäre das vorstellbar?
Wenn meine Welt nur aus Grautönen bestehen würde? Da muss ich an den britischen Künstler Neil Harbisson denken, der komplett farbenblind ist und über eine Antenne, die mit seinem Gehirn verbunden ist, Farbtöne als akustische Töne wahrnehmen kann. Er ist ein lebender Cyborg, der Farbe hört. Was mich betrifft, wäre das Leben ohne Farbe sehr traurig.

Haben Sie eine Art Label oder Namen für Ihre Kunst?
Ich bin kein Fan von Labels. Ich finde, sie sind gefährlich und schränken ein, denn sie stellen einen bestimmten Kontext her. Ich sage nicht, dass das, was ich mache, einzigartig ist. Aber es ist wirklich ein ganz eigenes Ding.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert