Frühlingshafte Wohnideen

Fünf Architektur- und Designbüros stellen ihren Re-Use-Ansatz vor – Menschen

Fünf Architektur- und Designbüros stellen ihren Re-Use-Ansatz vor – Menschen

Lucas Muñoz Muñoz, Madrid: Bauten als Bergwerke
Beim Experimentieren mit günstigen oder gar frei verfügbaren Materialien eignete sich Lucas Muñoz Muñoz schon früh Kenntnisse über die Wandelbarkeit von Beton, Holz oder Metall an. Inzwischen setzt der spanische Designer sein Wissen in Projekten wie dem Madrider Restaurant Mo de Movimiento ein. Das gesamte Mobiliar hat der Absolvent der Design Academy Eindhoven aus den Überresten des alten Theaters gebaut, das sich zuvor in den Erdgeschossräumen befand. So goss er den Bauschutt einer eingerissenen Zwischendecke in Zement und formte daraus Sitzbänke für den Außenbereich. Seine Philosophie: „Jedes Gebäude ist ein Bergwerk und als solches haben alle seine Materialien einen Wert.“ Diesem Anspruch wird er auch beim Umbau einer Architekturikone in seiner Heimatstadt gerecht, einem achtstöckigen Bürobau von Antonio Lamela aus dem Jahr 1966. Für den spanischen Büromöbelhersteller Sancal entwarf er aus vorhandenen Materialien im vierten Stock ein offenes Büro, das den Anforderungen der heutigen Arbeitswelt Rechnung trägt und mit ästhetischen Referenzen an die Entstehungszeit des Baus überzeugt. „In der Materialität der Gebäude, die wir erhalten, stecken viel Schönheit und potenzieller Nutzwert. Sie müssen nur nach unserem heutigen Verständnis geordnet und neu zusammengesetzt werden“, meint er.

Thilo Reich, Berlin: „Zirkuläres Design verlangt Mut und Haltung“
Sobald in Berlin etwas abgerissen oder umgebaut wird, hält Thilo Reich die Augen nach brauchbaren Materialien offen. Denn in seinen Projekten – wie dem kürzlich fertiggestellten Restaurant Kramer mit seiner Theke aus Gehwegplatten – hat er dafür Verwendung. Fündig wird er auch über Handwerksbetriebe, Recyclinghöfe und Kleinanzeigen. Doch sowohl Beschaffung als auch Reinigung, Aufarbeitung und Neuinterpretation kosten Zeit und verursachen damit Kosten, die es den Bauherr*innen zu vermitteln gilt. „Der Aufwand steckt nicht nur im Material, sondern in der Idee und der Sorgfalt der Umsetzung“, erklärt der Architekt und Designer. Ein Problem sei, dass recycelte Materialien oft als minderwertig eingestuft werden. Viele Gestalter*innen gehen daher unter Zeitdruck auf Nummer sicher, greifen zu global verschifften Luxusmaterialien, die verklebt werden und später als Sondermüll entsorgt werden müssen. „Zirkuläres Design verlangt Mut und Haltung“, ist Thilo Reich überzeugt. In seinen kleineren bis mittleren Projekten setzt er oft Sonderanfertigungen aus lokalen Materialien ein. Sie entfalten eine beeindruckende Wirkung, stellen einen Bezug zum Ort und zum Auftraggeber her.

Tweestroom Architecten, Leuven: Kreislauf als Konzept
Mit ihrem eigenen Wohnhaus aus den frühen Sechzigern begann Katrien Delespauls berufliche Leidenschaft für zirkuläres Design. Vor allem aus Kostengründen arbeitete sie mit günstigen Materialien, die zum Bestand passten. Von den Qualitäten eines Gebäudes auszugehen, ist eines von drei Prinzipien, die die Gründerin von Tweestroom Architecten für Umbauten wie das kürzlich fertiggestellte Büro in einer ehemaligen Konservenfabrik im belgischen Leuven definiert hat. Zweitens: Die neue Nutzung sollte im Einklang mit dem vorhandenen Gebäude stehen. Das hält die Kosten niedrig und bewahrt den Charme. Das dritte Prinzip lautet: Ein Projekt geht immer leichter von der Hand, wenn das gesamte Team ein zirkuläres Mindset teilt, von den Bauherr*innen bis zu den Tischler*innen. Bei ihrer Arbeit hat sie festgestellt, dass das Aufarbeiten von Materialien wie gebrauchtem Holz und Marmor je nach Befestigungsart mühsam sein kann. Gute Erfahrungen hat Katrien Delespaul kürzlich mit Glas gemacht: Um vorhandene Paneele als Trennwand einzusetzen, entschied sie sich für eine überlappenden Lösung, die sie mit anderen Materialien auffüllte.

Studio Oink, Leipzig: Natürliche Alternativen
Die Baustoffe für ihre Projekte wählen die Innenarchitektin Lea Korzeczek und der Industriedesigner Matthias Hiller von Studio Oink mit Bedacht aus. Natürliche Materialien wie Lehm und Stein ziehen sie Beton vor, allein schon deshalb, weil diese so schön altern. Denn Patina bereichert ihre Entwürfe, gibt ihnen eine Seele. Zu ihren Projekten gehören Privatwohnungen ebenso wie kleine Boutiquen oder Hotels. Gerne arbeiten Korzeczek und Hiller mit Einbaumöbeln, die einen Raum in ihren Augen spannender machen. „Ein durchdachter Grundriss samt Einbauten wirkt auch noch nach Jahren überraschend und zeitlos“, ist Lea Korzeczek überzeugt. Dazu passen – im Einklang mit ihrer Gestaltungsphilosophie – gebrauchte Möbel, aber auch handgefertigte Unikate. Denn sie tragen immer ein Stück weit Persönlichkeit in sich und werden oft über mehrere Generationen weitergegeben.

Zirkulaar, Dresden: Zirkularität beginnt im Entwurf
Es ist ein weit verbreitetes Dilemma: Viele Gebäude gelten heute zwar als „theoretisch demontierbar“, aber am Ende landen ihre Einzelteile trotzdem auf der Deponie. „Wir wollen diesem Missstand mit echten Lösungen begegnen – mit reversiblen Fügungen, modularen Konstruktionen und der klaren Dokumentation von Bauteilverbindungen“, stellt Julia Krafft, Gründerin des Architekturbüro Zirkulaar, klar. „Nur wenn wir Rückbau praktisch umsetzbar machen, kann Kreislaufarchitektur Realität werden.“ Wie das klappen kann, zeigt zum Beispiel ihr KlimaPAVILLON als vollständig wiederaufbaubares Ausstellungssystem für den öffentlichen Raum. Die tragende Konstruktion besteht aus alten Dachbalken und Reststücken der Holzindustrie. Sie kommt ohne Schrauben oder Klebstoff aus. Diesen Ansatz übertragen die ZIRKULAAR CUBES, ein modulares Möbelsystem aus aufbereiteten Schalungstafeln, auf den Innenraum. Das Team von Zirkulaar sieht aber nach wie vor große Herausforderungen darin, zirkuläres Bauen wirklich konsequent umzusetzen. Denn es fehlen standardisierte Abläufe für Rückbau und Aufbereitung gebrauchter Bauteile. Die Folge sind Sonderlösungen mit hohem personellem und planerischem Aufwand. Lucas Klinkenbusch, ebenfalls Gründer von Zirkulaar, sagt: „Unser Ziel ist es, diesen Ausnahmezustand zu überwinden: Durch entwerferische Modularisierung, digitale Erfassung und klar definierte Verbindungssysteme wollen wir eine untereinander kompatible Wiederverwendbarkeit ermöglichen. Erst durch solche Standards wird Re-Use nicht nur möglich, sondern auch wirtschaftlich skalierbar.“

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