Frühlingshafte Wohnideen

Ausstellung „WEtransFORM. Zur Zukunft des Bauens“ in der Bundeskunsthalle Bonn – Stories

Ausstellung „WEtransFORM. Zur Zukunft des Bauens“ in der Bundeskunsthalle Bonn – Stories

„Wir spielen mit dem Ende unserer Zivilisation“, warnte eindringlich Hans Joachim Schellnhuber, einer der international einflussreichsten Klimaforscher, in seinem Vortrag beim Eröffnungsfestival zur Ausstellung  WEtransFORM. Zur Zukunft des Bauens in der Bundeskunsthalle Bonn: „Wir brauchen eine gebaute Umwelt, die mit der Natur verschwistert ist.“

Lösungen zum Anfassen
Wie kann das konkret aussehen? Wie lässt sich städtebaulich und architektonisch mit Hitze, Trockenheit, Überschwemmung oder Starkregen umgehen? Die Bundeskunsthalle liefert vielschichtige Antworten. Bereits auf dem Vorplatz des Museums demonstriert Vert, wie eine Transformation hin zu Klimaresilienz im Stadtraum künftig aussehen kann. Vert ist eine riesige, begrünte und begehbare Holzkonstruktion von AHEC, Diez Office und OMCºC, die Schatten spendet, Plätze kühlt und Biodiversität fördert. Im Foyer folgt mit Tree.ONE von EcoLogicStudio ein Beispiel für regenerative Architektur: Es ist ein bis zur Decke reichender, futuristischer Baum, gezüchtet aus Mikroalgen, der CO2 absorbiert und es in Biomasse umwandelt.

Acht Themenräume, viele Perspektiven
Der eigentliche Ausstellungsrundgang beginnt im ersten Obergeschoss. Acht thematisch gegliederte Räume widmen sich Schwerpunkten wie Klimaresilienz, Biodiversität, Suffizienz, Revitalisierung, Kreislaufmanagement, Experiment und Aktivierung. Insgesamt haben die Kurator*innen Petra Kraus und Sven Sappelt rund 80 internationale Projekte versammelt – von Studien, Modellen, Plänen und Zeichnungen über Fotografien und Baumaterialien bis hin zu großen Installationen. Auf vielfältige Weise zeigen sie, wie Städte klimaresilient werden können und wie sich der ökologische Fußabdruck des Bausektors minimieren lässt. MVRDV hat dazu eine maßgeschneiderte Inszenierung entwickelt, die Elemente aus dem Museumsfundus wiederverwendet und kontextuell adaptiert. Farblich codierte Bereiche sorgen für Orientierung und eine abwechslungsreiche, atmosphärische Szenografie, die durch plakative grafische Gestaltungen an den Wänden ergänzt wird.

Konfrontation und Hoffnung
Der Rundgang beginnt mit einem medial inszenierten Status quo: alarmierende Bilder klimabedingter Katastrophen begleiten Besucher*innen durch einen engen „Informationstunnel“. Dagegen stehen konkrete Entwürfe zur Abmilderung ihrer Auswirkungen. So versucht das Haus Glasner von Less Yellow im Ahrtal vor künftigen Überschwemmungen zu schützen – durch ein flutbares Erdgeschoss. Und die What if- Prognose von MVRDV visualisiert, was auf die niederländischen Städte zukommt, wenn der Meeresspiegel steigt – und welche möglichen Anpassungen es gibt. Ein intensiver Einstieg, der im folgenden Kapitel „Biodiversität“ wieder aufgefangen wird. Der Bereich ist großzügig und beruhigend gestaltet. Etwa durch Gewächshäuser, die den Hintergrund für Installationen wie die Curiosity Cloud von mischer’traxler studio bilden – eine interaktive Installation aus mundgeblasenen Glaskörpern, in denen sich handgefertigte Insekten befinden. Sie bewegen sich, sobald man sich der Installation nähert.

Natürliche Materialien
Das nächste Kapitel „Suffizienz“ wartet mit ziegelroten Wänden auf. Hier werden Regale geschickt mit reflektierenden Paneelen kombiniert, um eine scheinbar „unendliche Bibliothek der Ressourcen“ zu schaffen. Zu sehen sind Projekte, die natürliche, auch überraschende Baumaterialien nutzen. Etwa der Natural Pavillon von DP6 architectuurstudio aus den Niederlanden, der zu 95 Prozent aus biobasierten Reststoffen des Gartenbaus und der Landwirtschaft besteht – darunter Stroh, Flachs und sogar Paprikastängel und Spinatsamen. Die Lehmstampfhäuser von Studio Anna Heringer in Traunstein mit Material direkt vom Baugrund zeigen, wie nachhaltiges Bauen künftig lokal verankert sein kann.

Gelungene Erneuerungen und Kreislaufprinzipien
Der Ausstellungsbereich „Revitalisierung“ ist stark von architektonischen Modellen geprägt. MVRDV hat den Bereich als „Pixelstadt“ entwickelt: Mit einem Struktursystem aus vielen kleinen Podien, die Projekte nach Maßstab gruppieren, von kleinen Eingriffen bis hin zu ganzen Stadterneuerungen. Gezeigt werden die Superblocks in Barcelona, eine klimagerechte Wiederbelebung mit Begrünung und reduziertem Autoverkehr. Sie markieren seit 2017 die erfolgreiche Transformation der Metropole. Die Renovierung einer alten Scheune durch Studio Bua auf Island und die Umnutzung des ehemaligen World Trade Centers in Brüssel durch das Büro 51N4E zeigen, wie sich Ressourcenverbrauch, CO2-Ausstoß und Bauabfall reduzieren lassen.

Vor dem Hintergrund gelber Wände stehen bei „Kreislaufmanagement“ innovative Forschungsprojekte im Mittelpunkt. Projekte wie das NEST UMAR vom Karlsruhe Institute of Technology oder der Hybrid Flachs Pavillon der Universität Stuttgart erkunden neue Möglichkeiten im Umgang mit zirkulären Materialkreisläufen oder computerbasierten Bauweisen – vorgestellt auf runden Podesten.

Innovation und Partizipation
Blau und Violett geben dem Bereich „Experiment“, der eine Reise durch das Kuriositätenkabinett neuer Materialien und Forschungen darstellt, seine visuelle Identität: von Marjan van Aubels Installation The interactive sun über My-Co Space, einer Skulptur aus Pilzpaneelen und Holz von My Co x Collective, bis zu einem Pavillon aus Algen von Julia Lohmann. Die durchdachte Farbgestaltung hebt die ästhetische Dimension der Ausstellung hier besonders hervor: Der blaue oder blau-violette Hintergrund gibt den Exponaten mit Experimentiercharakter einen eleganten, souveränen Rahmen. Sie erscheinen wie wertvolle Objekte, fest in der Gegenwart verankert. Im letzten Kapitel „Aktivierung“ schließlich laden interaktive Stationen die Besucher*innen dazu ein, selbst an Zukunftsideen mitzuwirken.

Potenziale der Wiederverwendung
Der Ansatz der Zirkularität geht bei der Ausstellungsgestaltung über die bloße Wiederverwendung von Elementen aus dem Museumsfundus hinaus. MVRDV passt Ausstellungselemente geschickt für neue Zwecke an: Der „Informationstunnel“ oder die „Bibliothek der Ressourcen“ nutzen das Octanorm-System, das normalerweise zum Aufbau provisorischer Wände dient, und interpretieren es als System zur Schaffung von Regalen neu. In ähnlicher Weise adaptiert die „Pixelstadt“ ein modulares Fußbodensystem, um die Landschaft aus Podesten zu schaffen. Wo die Ausstellung neue Materialien verwendet – etwa bei den Gewächshäusern im Kapitel „Biodiversität“ –, plant die Bundeskunsthalle eine künftige Wiederverwendung.

Positive Narrative
WEtransFORM. Zur Zukunft des Bauens zeigt: Architektur und Städtebau bieten auf die drängenden ökologischen Herausforderungen bereits überzeugende Antworten – manchmal liegen sie direkt vor unserer Haustür. Die große Frage aber bleibt: Wie lassen sich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft schneller und umfassender für ein Umdenken gewinnen? Positive Geschichten, die zeigen, dass nachhaltiger Wandel mit Schönheit, Kreativität und Lebensqualität vereinbar ist, könnten dafür der Schlüssel sein. Die Ausstellung der Bundeskunsthalle Bonn liefert solche Impulse. Abwechslungsreich und informativ präsentiert sie inhaltlich, szenografisch und in ihrer Haltung ein äußerst gelungenes Zusammenspiel.

Mehr Beiträge über nachhaltige, ressourcenschonende und zukunftsfähige Gestaltung finden Sie hier: GREENTERIOR

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