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Zirkuläres Stuhlprojekt J39.5 vom japanischen Studio AtMa inc. – Inspiration

Die Geschichte begann mit einem beschädigten Stuhl: einem Exemplar des J39, den Børge Mogensen 1947 für die Fredericia Stolefabrik als Weiterentwicklung des Shaker-Stuhls gestaltete und der heute zu den Klassikern des dänischen Designs zählt. Er besteht aus einem massiven Holzgestell mit leicht ausgestellten Beinen, einer sanft gebogenen Rückenlehne aus Vollholz und einer Sitzfläche aus geflochtener Papierkordel.Wiederverwendete FundstückeDas kaputte Exemplar fanden Makoto Suzuki und Ayumi Koyama, Gründer*innen des japanischen Designstudios AtMa inc., in einem Möbellager – mit fehlendem Bein und gesprungener Rückenlehne. Die Reparatur erschien den beiden aufwendig, wenn nicht gar unwirtschaftlich. Doch anstatt ihn aufzugeben, entwickelten die Gestalter*innen aus dem Fundstück ein neues Projekt: J39.5, eine Serie aus wiederverwendeten Teilen des ikonischen Stuhls, erweitert um einen systematischen Blick auf Material, Gestaltung und kulturelle Aneignung.
Dreifache Zirkularität
Drei Perspektiven prägen die Herangehensweise an das Projekt: zirkuläres Design, zirkuläres Material und zirkuläre Kultur. Gestalterisch orientiert sich J39.5 am bestehenden Entwurf, ohne neue Materialien hinzuzufügen. Stattdessen werden erhaltene Bauteile neu zusammengesetzt und ergänzt durch das, was Makoto Suzuki und Ayumi Koyama als „0.5“ bezeichnen: eine Denkweise, die Veränderung akzeptiert, aber dem Original verbunden bleibt. Die Idee: Selbst wenn der Stuhl erneut beschädigt wird, können seine Einzelteile immer wieder neu in Umlauf gebracht werden.
Veränderte Form, gleiches Material
Auch auf Materialebene führen die Designer*innen diesen Gedanken fort: Kaputte Teile werden zu Spänen zerkleinert, zu Papiermasse verarbeitet und schließlich zu Kordeln versponnen. Aus Beinen werden Sitzflächen, aus Rückenlehnen textile Strukturen. Die Form ändert sich, das Material bleibt im System.
Offener Prozess
Schließlich verweist J39.5 auf eine kulturelle Zirkulation: Der dänische Entwurf wurde in Japan neu interpretiert und kehrte überarbeitet nach Europa zurück, wo er während der Milan Design Week auf der Ausstellungsplattform Alcova gezeigt wurde. Dieses Pingpong des Designs zwischen Kontinenten ist Teil der Geschichte – und soll Räume für ein gestalterisches Lernen über Grenzen hinweg öffnen. Makoto Suzuki und Ayumi Koyama sehen J39.5 nicht als neues Möbelstück, sondern als einen offenen Prozess. Die Serie steht exemplarisch für eine Haltung, die den Umgang mit Produkten verändert – und mit ihnen unseren Blick auf Ressourcen, Zeit und Form. kh
AtMa inc.
Alcova