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Wie heizen Mietwohnungen in Zukunft – und wie bezahlen sie das?

Die Wärmewende konzentriert sich meist auf Einfamilienhäuser: Neue Wärmepumpe installieren, fertig. Wie aber heizen die vielen Millionen Mietwohnungen in Deutschland klimaneutral? Utopia.de hat recherchiert und bei Expert:innen nachgefragt.
Der Umstieg auf erneuerbare Energien kann in Einfamilienhäusern zwar viel Geld kosten, ist aber fast immer machbar. Meist ist die neue Heizung eine Wärmepumpe, im Idealfall unterstützt durch eine eigene Photovoltaikanlage oder Solarthermie.
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland allerdings wohnt zur Miete, hauptsächlich in Mehrfamilienhäusern. Mehrfamilienhäuser machen dabei laut dem Dena Gebäudereport rund ein Viertel des deutschen Wohngebäudebestands aus. Hier ist die Sache mit dem Heizungstausch schon schwieriger.
Heizungstausch im Mehrfamilienhaus: Großes Potenzial für die Wärmewende
Ein Blick auf die Ausgangslage zeigt, wie gigantisch die Aufgabe ist, den deutschen Wohnungsbestand auf klimafreundliche Heizungen umzustellen: Derzeit heizt etwas über die Hälfte der Wohnungen in Deutschland mit Gas, ein Viertel mit Öl – insgesamt laufen also noch in rund drei Viertel der Wohnungen fossile Heizungen.
Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) schreibt über Mehrfamiliengebäude:
„In technischer Hinsicht bieten sie hohe Einsparpotenziale, weil mit einer einzelnen Sanierung eine große Wohnfläche verbessert wird.“
BUND
Ein Heizungstausch entlastet Mietende theoretisch langfristig bei den Energiekosten. Doch die Eigentümer:innen von vermieteten Wohnungen haben bislang oft wenig Interesse an Heizungstausch und Sanierung. Es geht dabei um hohe Investitionen, von denen sie oft nicht selbst profitieren.
Wärmepumpe, Holzpellets, Fernwärme: Wie heizen Mehrfamilienhäuser in Zukunft?
Der hohe Energiebedarf von Mehrfamilienhäusern, vor allem aber die Lage vieler Wohnblöcke in eng bebauten Städten macht den Einsatz von Wärmepumpen herausfordernd. Dr. Reinhard Loch, pensionierter Energieexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, sagte Anfang 2024 im Gespräch mit Utopia.de: „Mehrfamilienhäuser sind die Objekte, die uns auch als Experten immer wieder Kopfzerbrechen machen.“
👉 Denkbar sind Großwärmepumpen, mehrere kleinere Wärmepumpen und sogenannte Kaskaden-Schaltungen, also mehrere flexibel hintereinander geschaltete Geräte.
Wärmepumpe: Nachfrage aus Mehrfamilienhäusern steigt
Trotz der Schwierigkeiten erwarten sowohl der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW als auch der Bundesverband Wärmepumpe (BWP), dass immer mehr Eigentümer:innen von Miethäusern auf Wärmepumpen umstellen.
Aktuellen Daten zufolge ist die Nachfrage aus Mehrfamilienhäusern bereits deutlich gestiegen, erklärt ein BWP-Sprecher gegenüber Utopia.de. Regulatorische und finanzielle Rahmenbedingungen sprächen dafür, dass sich der Trend fortsetze. So sorge der Wertverlust von unsanierten Immobilien sowie der steigende CO2-Preis zunehmend für Handlungsdruck.
👉 Der Verband prognostiziert optimistisch, „dass bis zum Jahr 2045 etwa die Hälfte des Mehrfamilienhausbestands mit Wärmepumpen beheizt sein könnte.“ Der GdW rechnet sogar mit „überwiegend Wärmepumpenlösungen“ und zusätzlich vor allem Fernwärmeanschlüssen.
Mehrfamilienhäuser: Wärmepumpe als dezentrale Heizung?
Viele Mehrfamilienhäuser heizen heute mit Gas-Etagenheizungen statt einer zentralen Anlage im Keller. Ein Anschluss an ein Wärmenetz oder eine Großwärmepumpe bedeutet dann nicht nur einen Wechsel des Energieträgers, sondern auch eine aufwendige Umstellung von dezentraler auf zentrale Beheizung.

Deshalb rüsten Mehrfamilienhäuser mit Gas-Etagenheizungen derzeit häufig auf Luft-Luft-Wärmepumpen um, erklärt Frank Ebisch, Sprecher des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima (ZVSHK). Diese Geräte – im Prinzip nichts anderes als Klimaanlagen – können teils einfach an den Außenwänden einzelner Wohnungen montiert werden. Hier wären theoretisch auch kleine Luft-Wasser-Wärmepumpen als Etagenheizung möglich, die an Außenwänden oder auf Balkonen installiert werden.
Der BWP äußert sich vorsichtig: Wenn ausreichend Platz für die Wärmepumpe da sei, sei „eine wohnungsweise Lösung möglich und mit Blick auf die Betriebskostenabrechnung möglicherweise auch sinnvoll.“ In Gebäuden mit Lüftungssystemen ließe sich zudem die Abluft als Wärmequelle nutzen. Das Potenzial ist groß – allerdings kommen solche Geräte bislang nur selten zum Einsatz.
„Fernwärme wird an Bedeutung gewinnen“
Wie viele Mietwohnungen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten tatsächlich auf Wärmepumpen umrüsten, hängt auch von der Zukunft der größten Konkurrentin ab: der Fernwärme. Fachleute gehen davon aus, dass der Ausbau der Fernwärme gerade für Mehrfamilienhäuser eine zentrale Rolle spielen wird. Heizungsexperte Ebisch sagt:
„Gerade in dicht bebauten Stadtlagen, in denen Wärmenetze existieren oder sich kostengünstig verdichten lassen, wird Fernwärme an Bedeutung gewinnen.“
Frank Ebisch, Sprecher ZVSHK
Rund 15 Prozent der deutschen Haushalte haben aktuell einen Fernwärmeanschluss. Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) vermutete 2024 im Gespräch mit Utopia.de, dass es zukünftig rund 45 Prozent sein werden. Große Wärmenetze und lokale Nahwärmenetze werden dabei in den kommenden Jahren nicht nur erweitert, sondern zunehmend auf erneuerbare Energiequellen wie Großwärmepumpen, Geothermie, Solarenergie, Abwärme oder Biomasse umgestellt.
👉 Auch wenn konkrete Prognosen noch schwierig sind, deutet der Trend eindeutig darauf hin, dass auch Mehrfamilienhäuser überwiegend mit Wärmepumpen und Fernwärme heizen werden. Expert:innen sind sich einig: Ebenfalls als klimaneutral geltende Heizungen mit Holzpellets, Solarthermie und Stromdirektheizungen werden Nischenlösungen bleiben – genau wie die oft überschätzten „grünen“ Gase Biomethan und Wasserstoff.
Tipp: Eine Energieberatung kann helfen, herauszufinden, welches Heizungssystem sich eignet. Wichtig: Qualifiziert für die staatlichen Förderprogramme sind nur Energieberater:innen auf der offiziellen Liste für Energieeffizienz-Experten.
Um die Suche nach einem passenden Angebot abzukürzen, kannst du deine Adresse und Telefonnummer bei Portalen wie Enter hinterlassen. Die Plattformen vermitteln dir dann unverbindliche Angebote für zertifizierte Energieberater:innen, die förderfähige individuelle Sanierungsfahrpläne (iSFP) erstellen können.
Wie wird die Wärmewende sozialverträglich für Mieter:innen?
Neben der Wahl der Energieträger ist die größte Grundsatzfrage der Wärmewende: Wie kann sie sozial gerecht gestaltet werden? Die Frage hat für Mietende besondere Brisanz. Im Durchschnitt haben sie weniger Geld als Wohnungseigentümer:innen und spüren steigende Kosten daher besonders.
Bei einem Heizungstausch steigen in der Regel zunächst die Kosten für die Bewohner:innen. Vermietende dürfen die Investition als „Modernisierungsumlage“ in Höhe von acht Prozent der Kaltmiete an die Mietenden weiterreichen – und zwar unabhängig davon, ob die neue Heizung sofort Heizkosten einspart, urteilte der Bundesgerichtshof kürzlich.
👉 Beim Heizungstausch ist die erlaubte Mieterhöhung gedeckelt auf 50 Cent pro Quadratmeter. Oft kommen aber weitere Modernisierungsarbeiten hinzu, dann darf die Miete innerhalb von sechs Jahren um drei Euro pro Quadratmeter steigen.
Fachleute fordern Planungssicherheit und höhere Förderung
Weil das für viele zu teuer ist, fordern Verbände und Forschende, die finanzielle Belastung durch verschiedene Maßnahmen zu senken. Frank Ebisch vom Heizungsverband ZVSHK plädiert für vorausschauendes Handeln der Wohnungswirtschaft: „Wer früh plant, spart Zeit und Kosten.“ Serielles Sanieren könne hier helfen: beschleunigte energetische Sanierungen mit vorgefertigten Modulen. Dafür brauche es aber Planungssicherheit – eine Spitze auf die Verzögerungstaktik der Bundesregierung beim Heizungsgesetz und der Förderung.
Andere Fachleute haben bei ihren Lösungsvorschlägen die Mieter:innen noch stärker im Blick. Eine Publikation des Wuppertal Instituts etwa kommt zum Schluss, es brauche eine deutlich höhere staatliche Förderung für den Heizungstausch speziell in Mietwohnungen. Parallel sollte demnach die Modernisierungsumlage für Mieter:innen sinken. Für bedürftige Haushalte sollte es weitere Zuschüsse geben. Außerdem könnten besonders ineffiziente Gebäude zur Modernisierung auf einen besseren Effizienzstandard verpflichtet werden, um Vermieter:innen zur energetischen Sanierung zu motivieren.
Utopia meint: Die Energiepolitik muss die richtigen Anreize setzen
Ob die Wärmewende klima- und sozialverträglich gelingt, hängt letztlich vom Zusammenspiel diverser Faktoren ab: Setzt die Energiepolitik Anreize, die energetische Sanierungen für Eigentümer:innen lohnend und für Mietende tragbar zu gestalten? In welchem Tempo gelingt der Aus- und Umbau der Wärmenetze? Wie effizient können künftige Wärmepumpen auch große Gebäude beheizen? Wie schnell werden ineffiziente Gebäude saniert? Und wie hilft man armen Haushalten bei den Kosten?
Die Antworten liegen zumindest teilweise bei der aktuellen Regierung – und der Hoffnung, dass es dieser gelingt, Klima- und Verbraucherschutz zukünftig höher zu priorisieren, als sie bisher vermuten lässt.
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